Fürst Ernst von Holstein-Schaumburg,
Graf zu Sternberg und Herr zu Gemen
war einer jener herausragenden Landesherrn, die in ihrem einstigen Herrschaftsraum bis in die Gegenwart identitätsstiftend wirken. Seine Regierungszeit von 1601 bis 1622 fiel in die spannungsreiche Periode zu Beginn des 30-jährigen Krieges. Wenn die Verdienste des Grafen heute ausschließlich in der Hinterlassenschaft seines, die Kunst fördernden Wirkens sichtbar sind, so musste er die Voraussetzungen hierzu erst herstellen. Sein politisches Handeln war pragmatisch und nicht zuletzt nach ökonomischen Gesichtspunkten ausgerichtet. Die Förderung der Wirtschaft, aber vor allem geschickte Geldgeschäfte über Hamburger Handelshäuser verschafften Graf Ernst die Mittel zu seinen aufwendigen künstlerischen Unternehmungen. Seine Selbstdarstellung als "Merkur" im Zentrum der "Götterpforte" ist deshalb durchaus berechtigt.


Fürst Ernst in Gestalt
des Merkur im Zentrum
der "Götterpforte"


Fürst Ernst
Portrait von
Jacob van der Doordt

Geschickt wahrte er als lutherischer Landesherr die Neutralität und das Einvernehmen mit dem Kaiserhaus, sodass seine langjährigen Bestrebungen zur Erlangung der Fürstenwürde mit der Bestätigung des Titels 1619 durch den streng katholischen Kaiser Ferdinand II. fruchteten. Klug entzog sich Ernst jedoch den Versuchen ihn in die kaiserliche Politik einzubinden. Christian IV. König von Dänemark, intervenierte daraufhin militärisch in Holstein-Pinneberg, sodass Ernst zur Beilegung des Konflikts künftig die Kompromissformel: "Graf von Holstein-Schaumburg, Fürst des Reiches" als Titel führte.

In konfessionellen Fragen blieb Ernst uneindeutig. Im schaumburgischen Altona, fanden die unterschiedlichen protestantischen Konfessionen eine Heimat und der Jesuitenorden unterhielt eine Niederlassung. Das Bildprogramm der Schlosskapelle in Bückeburg konzentriert sich im lutherischen Sinne auf Christus. Zu ihrer  Ausstattung gehörten jedoch auch Heiligenbilder und eine Darstellung der Jungfrau Maria. In seiner erst 1609 zur Stadt erhobenen Residenz Bückeburg lässt er die 1613 vollendete Stadtkirche errichten. Am Architrav der reich ornamentierten Fassade prangt die Inschrift: "
EXEMPLUM RELIGIONIS NON STRUCTURAE." Die Signatur des Grafen verkehrt den Sinn dieser Aussage ins Gegenteil. Mit Kunstwerken zeigte er seinen Anspruch als absoluter Fürst. Aber dieser Anspruch war auch Verpflichtung, so erneuerte er Rechtsverordnungen, lockerte die mittel-alterlichen Zunftregeln im Sinne moderner Gewerbefreiheit und gründet in Ergänzung zu den Schulen seines Landes eine Universität. 


Die "Götterpforte" im Goldenen Saal
 von Schloss Bückeburg

Seine eigene Ausbildung war eher fragmentarisch. Beim Ableben seines Vaters Graf Ottos IV. war er erst 7 Jahre alt. Dieser hinterließ völlig ruinierte Staatsfinanzen, sodass 1576 eine Ständeregierung eingesetzt wurde. Ernst besuchte die Lateinschule in Stadthagen und studierte anschließend an der Universität Helmstedt. Früh müssen seine Interessen sichtbar geworden sein, da sein Lehrer Reiner Reineccius ihn einen "Freund der Musen und des Maßes" nennt. Der Tod der Mutter 1582 führte zu einer mehrjährigen Unterbrechung der Ausbildung, bis sein Vormund Simon VI. Graf zur Lippe ihm 1593 eine Kavalierstour durch Italien finanzierte und erste Kontakte zum Kaiserhof Rudolphs II. in Prag herstellt. Ein Jahr später nahm er Studien in Bologna und Florenz auf. Dort fand er die Anregungen, aus denen sich die "Italianitá" seiner späteren Projekte erklärt. 

Gleich nach Regierungsantritt 1601 beginnt er  mit Baumaßnahmen im Schloss und dem damals noch bescheidenen Ort Bückeburg. Dem Ausgabenbuch stellt er das Motto: "Il fabbricare è un dolce povirere" (Das Bauen ist ein süßes Armwerden) voran. Das von seinem Vater durch Umbau der mittelalterlichen Wasserburg errichtete  Renaissanceschloss bleibt weitgehend unangetastet, erhält jedoch eine zeitgemäße Ausstattung, deren herausragende Schaustücke die sog. Türgerichte sind, von denen sich im Schloss nur die "Götterpforte" erhalten hat. Die Schlosskapelle wird mit reich geschnitzten Einbauten versehen, Wände und Gewölbe werden mit farbigen Grotesken bemalt. Die Räume erhalten Marmorböden und getäfelte,  bemalte Decken. Möbel, Teppiche und Gemälde werden angekauft. Die Brücke zum inneren Schlosstor wird mit zwei Säulen akzentuiert. Die Gebäude des Marstalls, der gräflichen Verwaltung und das äußere Schlosstor werden neu errichtet. Die Stadt erhält einen Markt mit der symmetrischen Baugruppe des Rat- und Renthauses und die Stadtkirche. 

Diesen Maßnahmen ist ein  Gestaltungswille gemein, der den Begriff einer Ernes-tinischen Kunstepoche rechtfertigt. Die sehr persönliche Kunstauffassung des Fürsten, die sich im Spannungsfeld der im Florenz der Medici und am Prager Kaiserhof gesammelten Eindrücke bildete, verband den nordeuropäischen Dekorationsstil mit dem Serpentinastil des italienischen Manierismus. Die herausragenden Kunstwerke sind Schaustücke aus figurativen und ornamentalen Elementen, bei denen die Architektur nur dienende Funktion erhält. Die Portalkonstruktionen übertreffen in Detailfülle und plastischem Schmuck die ihnen vorbildlichen Entwürfe von Wendel Dietterlin bei Weitem. Erhalten sind die in Holz geschnitzte "Götterpforte" und die zwei steinernen Portale im Garten von Schloss Baum. An der Fassade der Stadtkirche wurde dieses Gestaltungsprinzip ins Monumentale gesteigert. 

Die Bekrönung des äußeren Schlosstors wird von der, von zwei Drachen flankierten Figur der "Invidia" einer muskulösen Greisin mit Eselsohren gebildet. Diese Darstellung des Neides warf die Frage eines möglichen allegorischen Programms der Portalwerke auf. Einen  Ansatz liefert die Abfolge. Auf das Invidiaportal folgten die nicht erhaltenen Säulen mit den Figuren von Herkules und Simson vor der Schlossbrücke und die "Götterpforte". Unter dem Schutz Merkurs mit den portraitähnlichen Zügen des Fürsten, bietet Ceres-Venus dem Mars den Granatapfel an, den ihr  Minerva zugeworfen hat. Diese Besänftigung des Kriegsgottes ist als Friedensallegorie auf das wohltätige Wirken von Weisheit und Handel zu verstehen. Der fatalistischen Vorstellung eines "Kreislaufs der Welt", in dem auf  Wohlstand stets Neid und darauf der Krieg folgt, setzt das Bildprogramm die Herkules- Simsonallegorie des guten Herrschers entgegen, der diesen Kreislauf mit Kraft und Geschicklichkeit zwar nicht unterbrechen, doch zugunsten von Frieden und Wohlstand aufhalten kann. 

Zur
Verwirklichung seiner Ideen standen dem Fürsten  einheimische Künstler ersten Ranges, wie die Bildhauerfamilie Wolff zur Verfügung. Mit den Malern Johannes Hopffe und Christoph Gertner verfügte er nur über zweitrangige Künstler, dem begabten Maler Antonius Boten finanzierte er jedoch Italienaufenthalte und eine Ausbildung bei Hans Rottenhammer in Augsburg. 


IONICA, die dritte Colomna"
Blatt 115 aus Wendel Dietterlins
"Architectura" von 1598


"Andromeda" am "Wasserportal", dem linken, der zwei steinernen   Portale aus Schloss Bückeburg
  im Garten von Schloss Baum       


Mars, 
Bronzestatuette 
von Giambologna

Auswärtigen Künstlerpersönlichkeiten mit denen der Fürst in regem Austausch stand, enttäuschten ihn trotz umfangreicher Aufträge durch Unzu-verlässigkeit und vermeintlich unverhältnismäßig hohe Forderungen. Dem sächsischen Hofarchi-tekten Giovanni Maria Nosseni, der anfänglich nur als Lieferant mehrfarbiger Marmorböden in Erscheinung tritt, fällt bis zum Zerwürfnis über die Kosten des Mausoleums die wichtige Rolle des beratenden Architekten zu. Er setzt die Phantasien des Fürsten in Modelle um und stellt den Kontakt zum kaiserlichen Hofkünstler Adriaen de Vries her. 

Vermutlich durch Vermittlung  Nossenis fanden Bilderfindungen Giambolognas, wie an der Figur des Mars exemplarisch zu sehen ist, Eingang in das künstlerische Repertoire der Gebrüder Wolff. Die Kleinbronze der Vorlage, die sich in Nossenis Besitz befunden haben könnte, setzten sie an der "Götterpforte" in lebensgroße Figuren um.


Mars


Ceres 

Häufig arbeiteten sie nach druckgraphischen Vorlagen. Das beschädigte Relief im Schlosshof mit der Darstellung von Mars und Venus auf dem Liebeslager gibt den Kupfer-stich detailgetreu bis zum Nachttopf wieder.

Bei den konstruktiven Bauaufgaben führte die Beschäftigung heimischer Kräfte nicht zu fortschrittlichen Lösungen. Die Gebäude der gräflichen Verwaltung sind in Bruchstein errichtet. Das Rat- und das Renthaus am Markt waren traditionelle Fachwerkkonstruktionen mit Kolonnaden aus Sandsteinsäulen toskanischer Ordnung. Die dreischiffige Halle der Stadtkirche ist zwar zeit-typisch dekoriert, in den Proportionen jedoch merkwürdig unzeitgemäß. Für das Fortleben tradierter Bauformen sind möglicherweise die konservative Grundhaltung und das rückschrittliche Zunftwesen der Baumeister verant-wortlich. Eine Ausnahme bildet der Zentralbau des Mausoleums in Stadthagen. Dessen edle Proportionen sind von zukunftsweisender Klassizität. Hierfür zeichnete als Architekt kein Baumeister, sondern der, in Italien geschulte Maler Antonius Boten verantwortlich.


Relief vom 1613 errichteten "Neuen Tor" in Bückeburg 


Mars und Venus, 1588 von Hendrick Goltzius nach einer Zeichnung Bartholomäus Sprangers gestochen

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