Adriaen de vries
Am 26.Juli 1648, die Friedensverhandlungen von Münster und Osnabrück haben bereits begonnen, fielen schwedische Truppen unter dem Kommando des Feldmarschalls Königsmarck in Prag ein und besetzten die Kleinseite mit der Burg. |
|
Auf Befehl der Königin Christina, der Tochter des bei Lützen 1632 gefallenen schwedischen Königs Gustav II. Adolf, plünderten sie systematisch die Kunstschätze der ehem. kaiserlichen Residenz und des Waldsteinpalais. Neben den noch nicht nach Wien verbrachten Kunstwerken in der Burg genossen die, für Kaiser Rudolf II. und den kaiserlichen Feldmarschall Albrecht von Waldstein = Wallenstein geschaffene Bronzen von Adriaen de Vries die besondere Wertschätzung der Schweden. Nur wenige Tage vor Inkrafttreten des Friedensschlusses am 6. November wurde die Beute des "Prager Kunstraubes" in das damals schwedische Dömitz a.d. Elbe verschifft. Auch die für König Christian IV. von Dänemark gefertigten Brunnenfiguren von Schloss Fredericksborg gingen 1659 als Kriegsbeute nach Schweden. So verschwanden die Werke des bis dahin hochberühmten Künstlers an die nördliche Peripherie Europas und fielen, wie ihr Schöpfer dem Vergessen anheim. Wenig später, im Jahr 1688 bereiste der Engländer Robert Worsley Schweden und berichtete vom neu errichteten Schloss Drottningholm, dass in dessen Garten: “sich in der Mitte ein Brunnen befindet, mit einer acht Fuß hohen Messingstatue des Herkules als Drachentöter. Gustav Adolf hat diese Statue aus Prag mitgebracht, eigentlich stammt sie jedoch aus Athen und gilt als eine der besten Europas.“ Der anonyme antike Bildhauer, dessen Werk er dort bewunderte, war Adriæn de Vries. |
Im niederländischen Den Haag wurde Adriaen vermutlich 1556 als Sohn des Apothekers Pieter Willemsz de Vries geboren. Über seine frühe Zeit ist nichts bekannt. Es ist anzunehmen, dass er in seiner Heimat eine Ausbildung zum Goldschmied erhielt, ebenso wahrscheinlich ist auch eine Lehre bei dem aus Italien nach Delft zurückgekehrten Willem Danielsz van Tetrode, einem Schüler Benvenuto Cellinis. Wie viele junge Niederländer seiner Generation zog es ihn früh nach Italien. Dort bildeten sie die hochgeschätzte Künstlergruppe der "fiamminghi". In Florenz am Hof der Großherzöge der Toskana fand er, in der Werkstatt des Giambologna Aufnahme. Der aus Douai in der damaligen Grafschaft Flandern stammende Jean de Boulogne war der berühmteste Bildhauer in der Nachfolge Michelangelos. Seine Skulpturen entsprechen dem Ideal der manieristischen "figura serpentinata". Selbst durch vielfältige Aufgaben an den Hof der Medici gebunden, verbreiteten seine Schüler den neuen Stil, der in anmutiger Bewegung festgehaltenen Figur, an den Höfen Europas. Adriaen de Vries schuf seine ersten selbstständigen Werke für Philipp II. von Spanien. In Arbeitsgemeinschaft mit Pompeo Leoni in Mailand, modellierte er 1586 drei monumentale Apostelfiguren für den Hochaltar des Klosters El Escorial bei Madrid. |
|
Im Jahr darauf wurde er von Karl Emanuel I. von Savoyen an dessen Hof nach Turin gerufen. Dort sollte er ein Reiterstandbild fertigen, das jedoch nicht zur Ausführung kam, da sich der Kaiser den vielversprechenden jungen Künstler auf Empfehlung seines Lehrers Giambolognas "auslieh" und von Turin nach Prag holte. Dort versammelte Rudolf II. die außergewöhnlichsten Künstler seiner Zeit und erwarb sich dadurch einen bis heute legendären Ruf als Mäzen und Sammler. Während dieses ersten Aufenthalts am Kaiserhof schuf Adriæn de Vries die Figurengruppe "Merkur und Psyche" für die kaiserliche Kunstsammlung. Jan Mullers Kupferstiche von 1593 zeigen die elegante Komposition in drei Ansichten und liefern so den Beweis ihrer idealen, allseitigen Schönheit. |
|
|
|
Der Tod seines Vaters führte Adriaen 1594 zurück nach Den Haag. Danach ging er nach Rom, um dort die Antiken zu studieren. Sein damaliges Ansehen muß bereits beträchtlich gewesen sein, denn dort erreichte ihn 1596 der Ruf der Reichstadt Augsburg zur Ausführung eines ambitionierten Brunnenprojekts. Nach Fertigstellung des Augustusbrunnens vor dem Rathaus durch Hubert Gerhard 1594 sollten zwei weitere monumentale Brunnenanlagen im Zentrum der Stadt entstehen. Den hohen Brunnenpfeiler
des zuerst ausgeführten Merkurbrunnens krönt
die Bronze-gruppe mit Amor, der die Sandale des Merkur
bindet. Den Abschluss der Wasserkunst bildet die Jünglingsfigur in der Brunnenstube des Was-serturms am Roten Tor. Die Augsburger Brunnen erhöhten erheblich das Prestige der Stadt und den Ruhm des Künstlers. Noch während seiner Arbeit am Herkulesbrunnen erreichte ihn der erneute Ruf an den Kaiserhof nach Prag. |
|
1601 ernannte ihn Rudolf
II. zum Kammerbildhauer. Mit dieser angesehenen Stellung
waren zahlreiche Privilegien verbunden, u.a. der Zugang
zum Kaiser unter Umgehung des Hofzeremoniells. |
Dank des ununterbrochnen
Stroms fürstlicher Auftraggeber wurden die
fünfzehn, ihm noch verbleibenden Lebensjahre die
produktivsten seiner Laufbahn. |
Im Zuge der Planungen zur künstlerischen Ausgestaltung seiner Residenz in Bückeburg und seiner Grablege in Stadthagen bemühte sich Ernst um den berühmten Bronzebildner. Der Graf, seit 1619 Fürst von Holstein-Schaumburg erteilte zunächst den Auftrag zum Taufbecken der neu errichtete Stadtkirche der Residenz. 1615 traf es in Bückeburg ein und bildet seit dem das zentrale Kunstwerk in dem aufwendig ausgestatteten Kirchenraum. Die reich verzierte Cuppa in Form eines Akeleipokals wird von zwei Engeln getragen und mit der Darstellung der Taufe Christi bekrönt. Im gleichen Jahr begannen die Verhandlungen zu den Bronzefiguren des Grabmals. 1617 nahm Adriaen daran die Arbeit auf und lieferte bis 1621 die virtuos gestaltete Bronzegruppe des auferstehenden Christus mit den vier Wächtern, den acht Assistenzfiguren und sechs Reliefs. Die Bauarbeiten am Mausoleum hatten zu dieser Zeit gerade begonnen. 1621 sind auch die beiden Figurengruppen: Venus und Adonis und der Raub der Sabinerin datiert. Sie wurden auf der äußeren Terrasse von Schloss Bückeburg aufgestellt und bildeten gemeinsam mit den, als Antiken erworbenen Marmorstatuen und den, die Schlossbrücke flankierenden vergoldeten Sandsteinfiguren der Gebrüder Wolff den repräsentativen Zugang zur Residenz. Auf einem marmornen Tisch in der Stube des Fürsten fand die vermutlich 1620 erworbene Bronzegruppe nach dem Vorbild des "Farnesischen Stiers" Aufstellung. Bereits 1615 verhandelte Ernst über den Plan eines Brunnens mit der Darstellung fremder Tiere für den äußeren Schlosshof und bittet Adriæn de Vries um einen Entwurf, wobei er dem Künstler ausdrücklich freie Hand ließ. Dieser Brunnen kommt nicht zur Ausführung, der im gleichen Jahr für König Christian IV. von Dänemark geplante Neptunbrunnen für Schloss Frederiksborg wird jedoch bereits 1618 fertiggestellt. Das imposante Schloss wurde zwischen 1600 und 1620 als sichtbares Zeichen des monarchischen Anspruchs König Christians IV. und der Vormachtstellung Dänemarks im Ostseeraum errichtet. Die monumentale Brunnenanlage befand sich vor dem vielgestaltigen Baukörper im Zentrum des äußeren Schlosshofes. |
|
Da der Brunnen 1659 von schwedischen Truppen abgebrochen wurde, bieten nur die Beschreibung des Schlossverwalters Berg von 1646 eine ungefähre Vorstellung:" Das sechseckige Brunnenbecken bestand aus schwarzem Marmor. Auf den seitlichen Vorsprüngen des Brunnens saßen bronzene Tritonen und Personifikationen mit einem Löwen. In der Mitte des Brunnens erhob sich ein dreieckiger Marmorpfeiler mit abgestumpften Kanten. An seiner Basis saß auf jeder Ecke eine bronzene Najade, und zwischen diesen Najaden lagerte jeweils ein Putto, der ein Tier hielt. Über ihnen befand sich an jeder Ecke der Brunnensäule eine Wassergottheit. Auf der Spitze der Säule stand die überlebensgroße Figur des Neptun." Vor Schloss Frederiksborg befindet sich seit 1888 eine phantasievolle aber leider historisch ungenaue Rekonstruktion des Brunnens von Adriaen de Vries. |
Seinen letzten und wohl umfangreichste Auftrag erhielt er vom kaiserlichen Generalissimus Albrecht von Wallenstein. Mit dem Bau des Waldsteinpalais auf der Prager Kleinseite unterhalb der Burg wurde 1621 begonnen. In einem dicht besiedelten Quartier kaufte oder konfiszierte Wallenstein 23 Häuser zum Abriss und ließ von dem italienischen Baumeister Andrea Spezza einen Palast mit Gartenhof errichten, der seinen Status als oberster Feldherr der katholischen Liga und Admiral des Baltischen Meeres demonstrieren sollte. Im Zentrum stand ein Neptunbrunnen von dem aus die, von Skulpturen gesäumte Mittelachse auf die monumentale dreibogige Loggia zulief. Die Bronzefiguren sind selbstbewusste Interpretationen klassischer Vorbilder des Belvederegartens im Vatikan. Mit Apollo und Bacchus, der Lakoon- und Ringergruppe wetteiferte Adriaen de Vries mit den berühmtesten Statuen der Antike. |
|
Obwohl die Themenauswahl darauf hindeutet, dass das Figurenprogramm den Waldsteingarten in einen römischen Antikengarten verwandeln sollte, sind die Bilderfindungen Adriaen de Vries vollständig neu. Das prestigeträchtige Unternehmen erforderte nicht nur einen Künstler von seinem Format, sondern auch eine leistungsfähige Werkstatt und Gießerei. Beides muss ihm zur Verfügung gestanden haben, denn bereits die Arbeiten für König Christian IV. und Graf Ernst von Holstein-Schaumburg wurden zum Teil gleichzeitig ausgeführt. So wundert es nicht, dass die, beim Tod des Künstlers im Dezember 1626 noch unvollendeten Bronzen von seinen Gehilfen fertig gestellt werden konnten. Die Brunnenfigur des Neptun trägt die postume Signatur: Adrianvs Fries 1627. |
Katalog ausgewählter Arbeiten von Adriaen de
Vries
in alphabetischer Reihenfolge der Standorte
Amsterdam
Rijksmuseum |
Atlas Prag, 1626 Neuerwerbung 2014
|
|
|
Augsburg
|
|
|
Berlin
Staatliche Museen, |
|
|
Braunschweig
Herzog Anton Ulrich Museum |
|
Bückeburg
Stadtkirche |
|
Chlumec nad Cidlinou in
Böhmen
Schloss Karlskrone |
|
Dresden
Staatliche Kunstsammlung |
|
|
|
Edinburg
Universität, |
|
Gotha
Museum Schloss Friedenstein |
|
Kopenhagen
Statens Museum for Kunst |
|
|
Leipzig
Museum der Bildenden Künste |
|
London
Victoria & Albert Museum |
|
Los Angeles
The J. Paul Getty Museum |
|
|
München
Bayrisches Nationalmuseum |
|
New York
The Metropolitan Museum of Art |
|
Paris
Musée du Louvre |
|
|
Prag
Nationalgalerie |
|
|
Stadthagen
St. Martini-Kirche, |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Stockholm
Nationalmuseum |
|
|
Stockholm Schlosspark Drottningholm und Adriæn de Vries Museum |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Warschau
Nationalmuseum |
|
Washington
National Gallery of Art; |
|
Wien
Kunsthistorisches |
|
|
|
|
Wien
Hofburg
|
|
Wien Liechtensteinmuseum Sammlung des regierenden Fürsten von Liechtenstein |
|
|
|
|
Windsor Castle Royal Collection, I.M. Königin Elisabeth II. |
|
|
Wullenstetten
Kirchenstiftung |
|